PRESSEMITTEILUNG | 25.11.2024 | Berlin
Bundesrat lässt die Krankenhausreform passieren
VKD: Die Probleme der Kliniken werden sich weiter verschärfen
Der Bundesrat hat am Freitag das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses gebilligt. Die von Praktikern und Krankenhausverbänden maßgeblich kritisierten Regelungen, wie die Vorhaltefinanzierung, die erheblich vergrößerte Bürokratielast und das Fehlen einer Kompensation der in den Jahren 2022 und 2023 entstandenen Finanzierungsdefizite bleiben daher unberücksichtigt. Wieso eine Umsetzung des KHVVG von vielen Akteuren als Erfolg gefeiert wird, obwohl relevante und existenzsichernde Forderungen überhaupt keine Berücksichtigung gefunden haben, kann in den Krankenhäusern vor Ort nicht nachvollzogen werden.
Inzwischen schreiben 80 Prozent der Krankenhäuser Verluste. Die Erosion ihrer wirtschaftlichen Basis wird sich mit diesem Gesetz auch in 2025 weiter fortsetzen und weitere Kliniken in die Insolvenz führen. Die zukünftigen Erlöse werden die bestehende Inflationslücke aus 2022/2023 dauerhaft nicht schließen können. Darauf sind auch alle Regelungen wie ein voller Orientierungswert oder ein möglicher Tarifausgleich nicht ausgelegt, denn sie decken maximal zukünftige Kostensteigerungen ab, aber nicht rückwirkende. Auch die aktuellen, sehr schwierigen Tarifverhandlungen mit dem Marburger Bund für die Ärzte in den kommunalen Krankenhäusern sowie die Forderungen von Ver.di für den öffentlichen Dienst Anfang 2025 zeigen deutlich, in welche Richtung das Kostenniveau gehen wird. Auf der anderen Seite erhalten wir aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage jeden Tag Nachrichten von Stellenkürzungen bei Firmen wie Bosch, Ford, Schaeffler, u.a.
Der Beschluss des Bundesrates, keinen Vermittlungsausschuss anzurufen, ist eine dunkle Stunde für viele Krankenhäuser in den nächsten Monaten und Jahren. Nach dem Bundestag hat nun auch die Mehrheit der Länder den Weg dafür frei gemacht, dass die Gesundheitsversorgung vor allem in ländlichen Regionen – doch nicht nur dort – auf sehr wackligen Beinen stehen wird. Einen konkreten Ausblick darauf hat die kürzlich veröffentlichte Auswirkungsanalyse der Deutschen Krankenhausgesellschaft deutlich gezeigt. Danach wird sich mit dem Gesetz die Krankenhauslandschaft und damit die Gesundheitsversorgung der Patienten nicht zum besseren verändern, sondern zu einer weiteren Ausdünnung der Versorgungsstrukturen für die hilfesuchenden Menschen führen. Unwahrscheinlich, dass diese Studie an den Ländern vorbeigegangen ist.
Die wiederholte Aussage von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, auch erneut in der Sitzung vor den Ländervertretern bekräftigt, der Bund sei an der Reform nicht interessiert, wenn sie in den Vermittlungsausschuss verwiesen werde, zeigte einmal mehr, wie wenig Interesse er daran hat, tatsächlich Kritik und Vorschläge der Verbände und aus der Praxis zur Kenntnis zu nehmen.
Dass die Länder in einer begleitenden Entschließung noch pragmatische Lösungen zur Umsetzung der Reform gefordert haben, wirkte da eher wie eine Art Rechtfertigung. Was hier angemahnt wird, hat aktuell vorläufig kaum realistische Umsetzungschancen. Der Bürokratieabbau sei fortzusetzen, heißt es unter anderem, wobei das Gesetz ja in seiner Kleinteiligkeit Bürokratie weiter enorm befördert. Angesichts des hohen Umsetzungsaufwands der Reform müssten realistische Fristen gesetzt werden. Bemängelt werden auch die zu hohen zusätzlichen Anforderungen an die Personalvorgaben im ärztlichen Dienst – die viele Kliniken in der festgelegten Form wohl nicht erfüllen können. Noch hoffen anscheinend die Befürworter auf Landesebene, dass die Versorgungsplanung durch den Wegfall von Kliniken und Leistungsgruppen einfacher wird. Wenn aber dann festgestellt wird, wie wenig Versorgung überhaupt noch übrigbleibt, wird es bei der aktuellen Entwicklung von Insolvenzen und Abteilungsschließungen vermutlich bereits zu spät sein. Der Bundesrat kritisierte zudem, dass die Vorhaltevergütung in der aktuellen Form noch leistungsmengenabhängig ausgestaltet ist – genau hier sollte auch der Vermittlungsausschuss ansetzen, denn die Folge wird nicht „Entökonomisierung“ und Existenzsicherung gerade kleiner und mittlerer Kliniken sein, sondern das Gegenteil. Konstatiert wird, dass nur in Teilen deutlich wird, welche Auswirkungen dieses Konstrukt auf die Strukturen der Krankenhauslandschaft haben werde.
Es ist ein Gesetz mit zahlreichen Fragezeichen und Unsicherheiten. Dazu gehört auch, woher das Geld, immerhin 50 Milliarden Euro, für die Umsetzung der Reform im Transformationsfonds kommen soll. Adressiert werden hier zur Hälfte die Länder und zur anderen Hälfte die gesetzlichen Krankenkassen – die sich dagegen wohl erfolgreich wehren werden. Was, wenn der sogenannte Transformationsfonds leer bleibt? Im Bundeshaushalt gibt es vorrangig völlig andere Prioritäten.
Den Krankenhäusern bleiben die schwierigen wirtschaftlichen Probleme erhalten. Sie gehen in ein weiteres Jahr ohne Planungssicherheit – oder sollen wir besser sagen: Die bewusste Unterfinanzierung wird die Planungssicherheit der nächsten Jahre darstellen! Das bedeutet, dass sich der ökonomische Druck erhöhen und damit die Versorgungslage absehbar weiter deutlich verschlechtern wird. Wir werden erleben, dass in manchen Regionen kaum noch Versorgungsstrukturen vorhanden sind.
Die Hoffnung der Krankenhäuser liegt jetzt auf einer neuen Regierung, um im Laufe des Jahres 2025 eine Anpassung der nötigsten Regelungen, v.a. zur finanziellen Stabilisierung, zu ermöglichen. Eine erste Maßnahme muss daher zwingend eine Überbrückungsfinanzierung sein. Das kann nicht lange warten. Es gilt, unsere flächendeckende Krankenhausversorgung erst einmal zu erhalten und geplant in die anstehende Transformation zu führen. Dafür sind in den kommenden Jahren außerdem versorgungskritische Regelungen im Reformgesetz zu entschärfen und an die Realität anzupassen – gemeinsam mit den Experten der Selbstverwaltung und den Praktikern in den Krankenhäusern.