PRESSEMITTEILUNG | 15.03.2024 | Berlin
So kann es nicht weitergehen!
Frostige Atmosphäre verhindert gute Lösungen
Das nicht zur Kenntnis nehmen der sich stetig verschlechternden wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser in Deutschland durch die Gesundheitspolitik im Bund ist brandgefährlich für die Gesundheitsversorgung. Wie sehr, dokumentierten in der gestrigen Pressekonferenz der Deutschen Krankenhausgesellschaft Praktiker aus Management und Pflege, Kinder- und Jugendkrankenpflege, aus Psychiatrie, Geburtshilfe und Rettungsdienst. Sie gaben einen durchaus drastischen Einblick in die aktuelle Versorgungslage und den bereits fortschreitenden kalten Strukturwandel. Ihre Beispiele zeigten, dass die von ihnen geschilderte Situation in allen Bereichen bereits zu einer teilweise deutlichen Verschlechterung der Versorgung geführt hat.
Ihre Schilderung der Lage verbanden sie einhellig mit der Forderung, endlich auch die Vertreter der Praxis in Gesetzesvorhaben eng einzubeziehen. Auf die wiederholten Angebote der DKG zur Mitarbeit an den angekündigten wichtigen Reformgesetzen habe der Bundesgesundheitsminister bisher nicht reagiert, so DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß.
Auch der VKD hat immer wieder das Ignorieren von Argumenten aus der Praxis kritisiert. „Das hat inzwischen zu einer extrem frostigen Atmosphäre geführt, die gute Lösungen eher verhindert denn befördert. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem sich die Frage stellt, ob noch genügend Kraft dafür vorhanden ist, tatsächlich die große Gesundheitsreform Karl Lauterbachs in Gang zu setzen – und umzusetzen. Denn auch dafür ist ein langer Atem notwendig, sind Krankenhäuser notwendig, die das schaffen können“, sagt VKD-Präsident Dr. Josef Düllings.
„Es musste eigentlich allen von Beginn an klar gewesen sein, dass es noch erhebliche Einwände und Diskussionen geben würde, da es um eine ‚Revolution‘ gehen sollte, mit dem Ziel, den gesamten Krankenhausbereich umzuwälzen. Wollte man sich in Berlin seine schönen Pläne nicht durch die schnöde Praxis kaputt machen lassen? Anders ist dieses Vorgehen kaum noch zu erklären“, so Dr. Düllings.
Inzwischen läuft eine Insolvenzwelle. Im vergangenen Jahr waren rund 40 Häuser betroffen, für 2024 wurden 80 Klinikinsolvenzen prognostiziert. Das sei aber nur die Spitze des Eisbergs, so Dr. Gaß. Der Bundesgesundheitsminister sah allerdings kein Kliniksterben in diesem Jahr. Viel mehr wiederholte er immer wieder mit Blick auf sein in der Kritik der Länder und Praktiker stehendes, aktuell erneut in der Diskussion stehendes Transparenzgesetz, wie wichtig Transparenz für die Patienten sei, damit sie nicht in ein falsches, weil nicht qualifiziertes Krankenhaus gehen und im Fall einer Krebserkrankung vielleicht sogar früher sterben würden. Mit Angst kann man Meinung machen, aber nicht auf Dauer. Zumal diese Beschreibung auf die Realität nicht passt.
Dass mit dem Gesetz gleichzeitig in die Planungshoheit der Länder eingegriffen wird, bleibt dem Laien verborgen. Die Folgen dieser Beschneidung für die Krankenhausplanungen in den Ländern natürlich ebenfalls.
Der Bundesrat hat daher das am 19. Oktober 2023 vom Bundestag beschlossene Gesetz in den Vermittlungsausschuss verwiesen, wo es grundlegend überarbeitet werden sollte. Die Länder kritisierten u.a. die Zuordnung zu Leistungsgruppen sowie eine mit dem Gesetz verbundene weiter überbordende Bürokratie durch die Meldepflichten, die von den Kliniken erfüllt werden sollten. Nicht ausreichend sei die für kurzfristige Liquiditätshilfen vorgesehene Unterstützung.
Auch der VKD verwies immer wieder darauf, wie dringend die Kliniken Überbrückungshilfen benötigen, bis dann in etlichen Jahren die geplante Vergütungsreform wirken werde.
Schließlich haben im Vermittlungsausschuss sieben Ländervertreter dem Gesetz zugestimmt, offenbar, weil für die Umsetzung der Reform den Krankenhäusern 50 Milliarden Euro über zehn Jahre versprochen wurden. Ein Versprechen, das so nicht im Gesetz steht und das zur Hälfte die Länder erfüllen sollen, während die andere Hälfte aus dem Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenkassen kommen soll. Die Krankenkassen haben bereits zu Recht ihre Empörung kundgetan.
Vage Versprechungen, unpräzise, nicht aussagekräftige Protokollerklärungen, nicht nachvollziehbare Situationsbeschreibungen – all das sorgt nicht für Vertrauen.
Es drängt sich das Gefühl auf, dass hier eine Situation herbeigeführt wurde, die so einfach nicht mehr zu lösen sein wird. Dabei drängt doch die Zeit. Die Lösung kann aber nicht darin bestehen, per Ordre de Mufti die Vorstellungen der Bundespolitik möglichst ohne Änderungen durchzusetzen, ohne die Praktiker einzubeziehen, ohne deren Meinungen und Kompetenzen zu respektieren, für deren gut begründete Argumente offen zu sein und sachlich zu bleiben.
Kritische Einwände und darauf aufbauende Argumente für notwendige Veränderungen, auch plakative Hinweise der DKG auf die vermutlich schädlichen Folgen geplanter Gesetze und Regelungen sowie die Verweigerung dringend notwendiger finanzieller Hilfen und die Forderung zu einem offenen und konstruktiven Diskurs sind nicht nur legitim. Sie sind notwendig, wenn es allen Beteiligten um eine wichtige Reform geht, die wesentliche Veränderungen der Versorgungslandschaft bewirken soll. Wie kann diese denn ohne die Überzeugung der Praktiker, dass alles, was gesetzlich beschlossen wird, tatsächlich notwendig und umsetzbar ist, erfolgreich sein?
Auf die geplante Kampagne der DKG, die sehr drastisch auf die Gefahren hinweist, die sich aus der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Kliniken ergeben, hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach beleidigt und beleidigend reagiert. Aber Beleidigungen sind keine Argumente.
Dagegen werden die Argumente der Krankenhäuser mit Nonchalance in das Thema Lobbyarbeit geschoben. Dann muss man sich nicht damit beschäftigen. Aber Kritik aus der Praxis ist kein Lobbyismus. Sie kommt von denjenigen, die vor Ort den Verfall der Gesundheitsversorgung tagtäglich vor Augen haben., Sie kommt von den ebenfalls kaum gehörten Bundesländern, in denen sich die Gesundheitsminister um die Gesundheitsversorgung ihrer Bürger sorgen. Arroganz ist hier völlig fehl am Platze. Sie verhärtet die Fronten, vernichtet Vertrauen.
Es ist doch normal, sinnvoll und im Grunde ja auch demokratisch, sachlich Argumente auszutauschen, um das für die Bürger beste Vorgehen gemeinsam zu definieren. Es geht ja nicht um Irgendetwas Banales, sondern um eine funktionierende Gesundheitsversorgung, um das beste Vorgehen, das beste erreichbare Ergebnis für Kliniken, Patienten und Mitarbeiter heute und morgen.
Es geht um eine Versachlichung der Diskussion und nicht um einen Kampf, der inzwischen zu eskalieren droht – zum Schaden aller Beteiligten.
Der VKD hat immer wieder betont: Nicht das Ob ist die Frage, sondern das Wie.
Eine Reform ist notwendig, doch sorgfältig vorbereitet und umgesetzt wird sie Zeit brauchen. Aus dieser Erkenntnis heraus haben viele Krankenhäuser bereits damit begonnen, sich strategisch neu aufzustellen. Das zeigt doch sehr viel Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzustellen, das übrigens auch nicht zum Nulltarif zu haben ist.
Der VKD-Präsident: „Das derzeit laufende Krankenhaussterben, das Karl Lauterbach mit seiner großen Reform abwenden will, findet bereits jetzt statt. Diese Entwicklung kann ein verantwortlich handelnder Politiker doch nicht einfach ignorieren. Die Sorgen der Kliniken und im Übrigen auch der Länder, abzutun, ist keine gute Politik. Sich gegenseitig für was auch immer zu loben, ist natürlich schöner, aber nur sachliche Kritik bringt uns weiter. Sachlich heißt, auf Fakten basierend. Das müssen dann auch tatsächlich Fakten sein und nicht Anwürfe und Zuschreibungen, die stets wiederholt werden.“
Demokratie lebt grundsätzlich vom fairen Austausch der Meinungen und nicht vom Ausschluss wesentlicher Akteure in der Vermutung, dass deren Ansichten, Erfahrungen und deren Expertise nicht ins eigene Narrativ passen könnten.
Wir brauchen einen konstruktiven Dialog. Dafür müssen die Praktiker aus den Kliniken und ihre Vertretungen in den maßgeblichen Verbänden endlich als Mitgestalter akzeptiert und ihre Argumente nicht diskreditiert, sondern abgewogen werden. Passiert das nicht, wird unsere bereits löchrige, aber noch halbwegs flächendeckende Krankenhausversorgung weiter und nachhaltig beschädigt. Das kann doch wirklich niemand wollen. So kann es nicht weitergehen!