Referentenentwurf zum Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz — NotfallG)

Sehr geehrte Damen und Herren,

obwohl der vorliegende Referentenentwurf zum Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz NotfallG) fast ausschließlich auf somatische Hilfebedarfe abstellt, möchten wir uns als Vertreter des Managements psychiatrischer Einrichtungen zu Wort melden und Sie bitten bei dem Gesetz auch die Bedarfslagen psychisch kranker Menschen im Notfallsystem angemessenen zu berücksichtigen. Mit wenigen Eingriffen in den Referentenentwurf könnten die Belange psychisch Erkrankter dabei wesentlich mitgedacht werden.

Auch wir begrüßen das Anliegen des Entwurfes einer Neuordnung der Notfallversorgung. Eine bedarfsgerechte Notfallversorgung für Menschen mit psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Krisen, die die besonderen Belange dieser Menschen berücksichtigt, ist aktuell nicht ausreichend vorhanden. Sie ist nicht flächendeckend und nicht zu jeder Tageszeit sichergestellt. Dies führt zu Fehlsteuerung und vermeidbaren Folgeschäden bis hin zu Todesfällen. Psychiatrische Krisendienste sind noch nicht flächendeckend in allen Bundesländern eingeführt worden. Sie haben zudem auch nicht den Auftrag einer medizinischen Notfallversorgung, können aber für die gewünschten Kooperationen ein wichtiger Anschluss sein.

In den künftigen Notfallversorgungsstrukturen müssen Menschen mit psychischen Krisen und die für sie notwendigen psychiatriespezifischen Krisenhilfen und Notfallbehandlungsangebote ausdrücklich mitgedacht werden. Psychiatrische Notfälle und psychische Krisen stellen bei der Inanspruchnahme von ärztlichen Notdiensten, Rettungsdiensten und Notfallaufnahmen einen erheblichen Anteil dar. Hier besteht bei psychischen Erkrankungen oft die Gefahr der Fehlsteuerung:

      1. Die Betroffenen erkennen und thematisieren die Notsituation selbst nicht oder nicht ausreichend;
        der psychiatrische Notfall bleibt unerkannt.
      2. Es wird zu schnell in die Klinik weitergeleitet mit einem erhöhten Risiko, dass es zu vermeidbaren stationären Behandlungen kommt. Es kommt dabei teilweise zu nicht einvernehmlichen Weiterleitungen an Kliniken; dort ist nach vorherigem Zwang die Herstellung des Einvernehmens erschwert.

Für Menschen in psychischen Krisen ist es in vielen Fällen weder sinnvoll noch zumutbar, erst möglichenneise dem Rettungsdienst, dann in einem integrierten Notfallzentrum und anschließend in einer psychiatrischen Klinik die eigene Notlage darzustellen. Grundsätzlich muss die Notfallversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Krisen auf der Grundlage des Referentenentwurfes folgende Anforderungen erfüllen:

      1. In den Anlaufstellen und Leitstellen für Notfälle muss eine psychiatrische Basiskompetenz
        gewährleistet sein.
      2. In den vorgesehenen Integrierten Notfallzentren (INZ) sind in dem zu entwickelnden Ersteinschätzungsinstrument die besonderen Bedarfe von psychisch erkrankten Menschen zu berücksichtigen, so wie es in der Begründung im Referentenentwurf bereits vorgesehen ist.
      3. In den INZ sollte die psychiatrische Behandlungskompetenz verfügbar sein. Dies kann durch enge Kooperation in einem interdisziplinären Team erfolgen. Sofern die regionale Versorgung durch ein räumlich entferntes Fachkrankenhaus wahrgenommen wird, ist in den INZ die psychiatrische Behandlungskompetenz zumindest telemedizinisch verfügbar zu machen.
      4. Ein schneller Zugang von den psychiatrischen und psychosozialen Krisenhilfen und den INZ zu psychiatrisch/psychotherapeutischen Leistungen wird gewährleistet mit definierten Schnittstellen zu Teilhabe- und Pflegeleistungen unter Erhaltung der vorhandenen Netzwerkstrukturen.
      5. Die Zusammenarbeit der regionalen psychiatrischen und psychosozialen Krisenhilfen mit den künftigen Akutleitstellen und den Leitstellen des Rettungsdienstes sowie den Integrierter Notfallzentren muss verbindlich geregelt werden.
      6. Wenn beim Rettungseinsatz Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Krise bestehen, klärt der Rettungsdienst mit der Leitstelle das weitere Vorgehen.

Daraus ergeben sich folgende konkrete Empfehlungen zur Änderung des Referentenentwurfes:

Ad Art. 1 Nr. 11 (5123 Abs. 3 SGB V) Ersteinschätzungsinstrument

Derzeit findet sich eine entscheidende Textstelle lediglich in der Begründung. Sie sollte jedoch im Gesetz verankert werden. In S 123 Abs. 3 SGB V sollte daher die Passage, dass „die besonderen Bedürfnisse von Kindern, Menschen mit Behinderung und psychisch Erkrankten zu berücksichtigen“ sind, direkt aufgenommen werden. Zudem sollte der G-BA durch das Gesetz mittels einer eigenen Nummer beauftragt werden, bei der Entwicklung des Ersteinschätzungsinstruments den spezifischen Bedarf psychisch Erkrankter und Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Behandlungsdringlichkeit aufzunehmen.

Ad Art. 1 Nr. 11 (5123 Abs. 6 SGB V-neu) Integrierte Notfallzentren (INZ)

Zur Berücksichtigung der besonderen Bedarfe von psychisch erkrankten Menschen sollten nach Satz I
zwei weitere Sätze in den Enbwurf eingefügt werden:

      • Integrierte Notfallzentren haben bei einem Hinweis auf eine vorliegende psychische Erkrankung psychiatrische und psychosomatische Behandlungskompetenz bzw. dies durch Kooperationen mit psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern mit Pflichtversorgungsauftrag oder mit psychiatrischen Fachkrankenhäusern mit Pflichtversorgungauftrag sicherzustellen.
      • Bei psychiatrischer und psychosomatischer Versorgung durch ein externes Fachkrankenhaus mit Pflichtversorgungsauftrag ist die Unterstützung durch telemedizinische Konsilien nach S 367 oder telefonische Konsilien von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie zu gewährleisten. Bei Hinweisen auf psychische Krisen sind die psychiatrischen und psychosoziale Krisenhilfen einzubeziehen.
      • Diese Regelungen sind in gleicher Art und Weise für die Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie anzuwenden.

Mit freundlichen Grüßen
Paul Bomke
Fachgruppenvorsitzender VKD
Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen

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